Medienkompetenz in der Schulentwicklung: Praxisprojekt mit Willkommensklassen in Neukölln
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Aktualisiert: vor 1 Tag
Interaktive Workshops mit Schüler:innen der Willkommensklassen in Neukölln
Medienkompetenz ist eine zentrale Schlüsselqualifikation des 21. Jahrhunderts, insbesondere für Kinder und Jugendliche, die in einer zunehmend digitalisierten Welt aufwachsen. Durch praxisorientierte Workshops zu Zoetrop, Daumenkino und Stop-Motion-Videos erschließen sich die Kinder auf sprachunabhängige Weise die Grundlagen bewegter Bilder und Animation.
Hintergrund
In unserer digitalisierten Welt ist Medienkompetenz in aller Munde. Doch sie umfasst weit mehr als nur die Bedienung eines Smartphones¹. Medienkompetenz ist eine der Schlüsselqualifikation des 21. Jahrhunderts und stellt zugleich eine zentrale gesellschaftliche Herausforderung dar. Dies zeigt sich besonders deutlich in mehreren Bereichen, die unser tägliches Leben maßgeblich beeinflussen:
So erfordert etwa der zunehmende Kampf gegen Desinformation² ein hohes Maß an kritischem Denken: Gezielte Falschmeldungen, Verschwörungsideologien und Propaganda verbreiten sich rasant und bedrohen sowohl demokratische Prozesse als auch das Vertrauen innerhalb unserer Gesellschaft. Ebenso wichtig ist der bewusste Umgang mit persönlichen Daten³. Fehlende Sensibilität in Fragen der Datensicherheit und Privatsphäre kann zu gravierenden Folgen wie Identitätsdiebstahl oder unerwünschter Überwachung führen, weshalb ein reflektiertes Management der eigenen digitalen Spuren unerlässlich ist. Hinzu kommt die Gefahr, in sogenannten Filterblasen oder Echokammern⁴ gefangen zu werden – ein Effekt, der durch algorithmische Mechanismen sozialer Medien verstärkt wird.
Medienkompetenz bedeutet daher auch, diese Dynamiken zu erkennen, ihnen entgegenzuwirken und aktiv den Blick für vielfältige Perspektiven zu öffnen.
Laut Dieter Baacke gliedert sich Medienkompetenz traditionell in vier Dimensionen⁵:
Medienkunde: Das technische Wissen und die Fähigkeit, Geräte (Smartphone, PC) und Programme bedienen zu können.
Mediennutzung: Die interaktive Anwendung – also die bewusste Auswahl und Nutzung von Medienangeboten, Inhalte anschauen, hören und mitgestalten.
Medienkritik: Die zentrale Fähigkeit, Medieninhalte kritisch zu hinterfragen, ihre Absichten zu erkennen, Falschinformationen zu identifizieren und die eigene Medienrolle zu reflektieren.
Mediengestaltung: Die kreative und aktive Nutzung von Medien, um selbst Inhalte zu erstellen, zu bearbeiten und zu verbreiten.
Herausforderungen
Die Relevanz von Medienkompetenz beginnt heutzutage bereits im Kindes- und Jugendalter⁶, da diese Generation wie keine zuvor in der digitalen Welt mit all den damit einhergehenden Herausforderungen aufwächst:
Zeit im digitalen Raum: Kinder und Jugendliche verbringen einen erheblichen Teil ihrer Freizeit mit digitalen Medien. Die JIM-Studie (Jugend, Information, (Multi-)Media) des Medienpädagogischen Forschungsverbundes Südwest liefert hierzu jährlich aktuelle Zahlen. Die Studie zeigt, dass junge Menschen durchschnittlich mehrere Stunden pro Tag online sind. 2025 waren dies ca. 231 Minuten täglich⁷, wobei Social Media, Video-Plattformen (wie YouTube oder TikTok) und Gaming eine zentrale Rolle spielen.
Selbstdarstellung: Der ständige Druck zur Selbstdarstellung auf Plattformen wie Instagram oder TikTok kann psychische Belastungen fördern. Medienkompetenz lehrt den reflektierten Umgang mit dem eigenen Bild und den Schutz der Privatsphäre⁸.
Cybermobbing und Hassrede: Digitale Räume sind alles andere als frei von Konflikten und Anfeindungen⁹. Medienkompetenz bedeutet hier auch, eigene Grenzen zu kennen, sich zu schützen und gegen Online-Gewalt vorzugehen.
Um bereits die Kleinsten zu verantwortungsvollen Mediennutzung zu befähigen, führt eine Neuköllner Schule jedes Jahr eine Medienkompetenzprojektwoche durch. In dieser sollen die Schüler:innen der 1. bis 6. Klassen einen sicheren, reflektierten und verantwortungsvollen Umgang mit digitalen Medien einüben. In altersgerechten Workshops setzen sich die Kinder mit Themen wie Informationssuche, Social Media, Datenschutz, Cybermobbing und kreativer Mediengestaltung auseinander. Ziel ist es, Medienkompetenz nachhaltig zu fördern und gleichzeitig Kreativität, Teamfähigkeit und kritisches Denken zu stärken.
Da es sich um eine Projektwoche für die gesamte Schule handelt, nehmen auch die Kinder der Willkommensklassen teil. Diese leben meist erst seit kurzem in Deutschland und sprechen daher kaum Deutsch. Es braucht hier also sprachunabhängige Kommunikation über Gestik, Mimik und bildliche Beispiele. Statt langer Erklärungen stehen Vormachen, gemeinsames Basteln und Anschauungsmaterial im Vordergrund.
Drei Lernprodukte zu bewegten Bildern
In drei unterschiedlichen Workshop erkunden die Kinder der Willkommensklassen wie „bewegte Bilder“ entstehen und wie unser Auge Bewegung wahrnimmt, obwohl es sich eigentlich um einzelne Bilder handelt. Im ersten Workshop bauen sie ein eigenes Drehkino bzw. Zoetrop, in dem schnell hintereinander gezeigte Zeichnungen den Eindruck von Bewegung erzeugen. Anschließend gestalten sie im zweiten Workshop ein Daumenkino, bei dem das schnelle Umblättern selbst gezeichneter Bildfolgen verdeutlicht, wie aus minimalen Veränderungen zwischen Einzelbildern eine flüssige Bewegung entstehen kann. Im dritten Workshop produzieren die Kinder Stop-Motion-Videos, indem sie Figuren oder Gegenstände Bild für Bild fotografieren und anschließend abspielen, sodass ein kompletter Film entsteht. Durch diese praktischen Erfahrungen verstehen sie auf anschauliche Weise das Grundprinzip der Animation: die Illusion von Bewegung durch die schnelle Abfolge vieler Einzelbilder – und das ganz ohne Kenntnisse der deutschen Sprache.







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